So ist seit dem 10. September 2015 ein Erzeugnis gemäß REACH definiert.

Gegenstand des Streits, welcher nunmehr entschieden wurde, war die unterschiedliche Interpretation des Begriffs „Erzeugnis“ in der REACH-Verordnung. Die ECHA und eine Großzahl der Mitglieder sahen ein Erzeugnis als Kundenendprodukt definiert. Die Schwelle von 0,1 Massenprozent bezog sich demgemäß immer auf das gesamte unverpackte Produkt (z. B. auf einen Knopf, der geliefert wird). Werden dagegen beispielsweise Jacken geliefert, bezog sich die 0,1-Massenprozentschwelle auf das Gewicht der gesamten Jacke, also inklusive aller angenähten Knöpfe.

Deutschland wie auch einige andere Mitgliedstaaten und Norwegen hingegen, vertraten die Ansicht, dass ein Erzeugnis immer ein Erzeugnis sei, gleich, in welchen anderen Zusammenhängen es nachfolgend verbaut werden würde. Dies bedeutet, dass der Knopf als Erzeugnis – so er mit einem SVHC den Schwellenwert 0,1 % erreicht – die Kommunikationsverpflichtung zum Kunden bzgl. des Vorhandenseins des SVHC im Gesamtprodukt (Jacke) auslöst.

Im Urteil des EuGH vom 10.09.2015 wurde die Erzeugnisdefinition nach REACH neu geregelt:

Jedes Teilerzeugnis eines Erzeugnisses, welches sich aus mehreren Teilerzeugnissen zusammensetzt (sog. komplexes Produkt), ist ein Erzeugnis im Sinne der Vorschrift. Die Erzeugniseigenschaft geht nicht durch die Zusammenfügung oder Vereinigung mit anderen Gegenständen verloren. Das bedeutet, auf Basis des Prinzips „Einmal ein Erzeugnis – immer ein Erzeugnis“ wird das einzelne Erzeugnis und nicht das zusammengesetzte Erzeugnis als Bezugsgröße verwendet.

Ein Gegenstand ist zum ersten Mal dann ein Erzeugnis (Erzeugnisbegriff in Art. 3 Nr. 3 der REACH-Verordnung), wenn er bei der Herstellung eine spezifische Form, Oberfläche oder Gestalt erhält, die in größerem Maße als die chemische Zusammensetzung seine Funktion bestimmt.

Art. 33 der REACH-Verordnung besagt, dass der Lieferant eines Produkts, das sich aus einem oder mehreren Erzeugnissen zusammensetzt, in welchem ein SVHC-Kandidatenstoff mit mehr als 0,1 Massenprozent (w/w) je Erzeugnis enthalten ist, zur Information verpflichtet ist. Der Lieferant hat den Abnehmer und, auf entsprechendes Ersuchen, den Verbraucher über das Vorhandensein dieses Stoffes in jedem (Teil-)Erzeugnis zu informieren, indem er mindestens den Namen des betreffenden Stoffes angibt.

Eine Meldepflicht im Rahmen des Artikels 7 Absatz 2 gegenüber der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) wird notwendig, wenn ein Unternehmen Erzeugnisse produziert oder importiert, die Kandidatenstoffe in Anteilen über 0,1 % enthalten und bei denen über alle Erzeugnisse summiert die Menge von einer Tonne pro Jahr überschritten wird.

Das bedeutet in letzter Konsequenz:

Die Informationspflicht von Lieferanten von (komplexen) Produkten gegenüber Abnehmern und ggf. Verbrauchern wird dann ausgelöst, wenn eins der im Produkt verbauten Teileerzeugnisse einen solchen SVHC-Kandidatenstoff in einer Konzentration von mehr als 0,1 Massenprozent (w/w) enthält.

Beispiel:
Eine Pumpe enthält eine Ringdichtung, in welcher ein gelisteter SVHC-Kandidatenstoff (z.B. Weichmacher) von mehr als 0,1 Massenprozent (w/w) enthalten ist. Dieser Substanzanteil ist Auslöser der Kommunikationsverpflichtung zum Kunden/ Verbraucher für die gesamte Pumpe. Die Kommunikationsverpflichtung bezieht sich hierbei auf die Nennung des in der Pumpe (Dichtung) vorhandenen SVHC-Kandidatenstoffes. Eine Benennung des Erzeugnisses, welches diesen SVHC-Kandidatenstoff enthält, oder wo dieser zu finden ist bzw. in welcher Konzentration der Stoff vorliegt, ist nicht erforderlich.

Für den Importeur gelten, dem Produzenten gleichgestellt, die gleichen Kommunikationsvorgaben gemäß Artikel 33 der REACH-Verordnung. Der Gerichtshof weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass der Umstand, dass es für die Importeure schwierig sein kann, von ihren in Drittländern ansässigen Lieferanten die verlangten Informationen zu erhalten, an ihrer Unterrichtungspflicht nichts ändern kann.

Die Unterrichtungspflicht von Substanzen obliegt dem Produzenten, welcher aus einem oder mehreren Substanzen ein Erzeugnis herstellt. Wird dieses Erzeugnis nachfolgend in der Lieferantenkette weiter verbaut (Vorleistung), so haben die nachfolgenden Nutzer des Erzeugnisses keine Unterrichtungspflicht bzgl. des Vorleistungsproduktes. Zusätzlich obliegt es jedem Produzenten sicherzustellen, dass die Substanz für die Anwendung in seinem Erzeugnis registriert und freigegeben ist. Insbesondere sollen hierbei Substanzen betrachtet werden, die aus diesen Erzeugnissen freigesetzt werden sollen und für diese Verwendung nicht registriert worden sind.

Letztendlich Aufschluss bzgl. der Auslegung des Urteils werden die bereits in der Überarbeitung befindlichen Dokumente REACH-Guideline der BAUA wie auch der unterschiedlichen Industrieverbände geben.

 

Quelle:
Pressemitteilung Nr. 100/15 des Gerichtshof der Europäischen Union, Luxemburg, den 10. September 2015
Urteil Europäischen Gerichtshof C-106/14